Netz des Lebens

Das circadiane System

Das circadiane System

  • Circadian = Periodenlänge von ca. 24 h
  • Bereits sehr früh in der Evolutionsgeschichte der Organismen hat sich das Leben auf Erden durch die Entwicklung molekularer Mechanismen an Energiezyklen angepasst.
  • Diese Zyklen werden von der Erdrotation gesteuert, vom Wechsel von Tag und Nacht.
  • Mehr als 250 biologische Prozesse finden an der für sie am besten geeigneten Zeit statt: Der gesamte Organismus wird von einer "circadianen Uhr" gesteuert.
  • Ein geregelter Schlaf–Wachrhythmus hat eine immense Bedeutung für unsere Gesundheit.
  • Störungen des circadianen Systems beeinträchtigen unser Mikrobiom. Einer der wichtigsten Faktoren ist die Regelmäßigkeit der Nahrungsaufnahme. Alle Faktoren, die das Gleichgewicht unserer Lebensgemeinschaften im Darm stören, erhöhen die diesbezüglichen Krankheitserscheinungen.
  • Schlaf ist ein metabolischer Hauptschalter für unsere innere circadiane Uhr.
  • Dauerbeleuchtung macht uns zu (annähernd) schlaflosen Nachtwesen. Ein eklatanter Widerspruch zu unserer evolutionären Ausstattung.
  • Nur sehr wenige Menschen können langfristig mit weniger als sieben bis neun Stunden gesunden Schlaf auskommen, ohne negative Konsequenzen befürchten zu müssen.
  • Ein gut belüftetes Schlafzimmer mit niederer CO2 Konzentration führt zu besserem Schlaf, besserer Erholung und besserer kognitiver Leistungsfähigkeit.
  • Schlaf ist so wichtig wie Ernährung und Bewegung.
  • Nichts in der Biologie macht Sinn, es sei denn, man betrachtet es im Licht der Evolution.

Merke:

  • Kein Sport vor dem Schlafengehen, Verzicht auf Koffein bereits ab dem Nachmittag, kein Alkohol vor dem Schlafengehen, keine großen Mahlzeiten vor dem Schlafengehen.
  • Am Tag viel draußen sein, im Sonnenlicht.
  • In einem dunklen Zimmer schlafen – ohne TV-Geräte oder Mobiltechnologie.

Bewegung und Vitamin D

Warum Bewegung wichtig ist

Das Gesamt-Energie-Budget ist jeden Tag in etwa gleich. Der Hypothalamus regelt es. Das ermöglicht uns fundamentale Einsichten:

  • Stressreaktionen werden vom Hypothalamus geregelt.
  • Chronischer Stress führt zu einer Umverteilung im Gesamt-Energie-Budget und obendrein zu einem Anstieg des Cortisolspiegels.
  • Stress beeinträchtig unser Immunsystem! Energetische Nachteile machen uns – im Verein mit Cortisol – weitaus anfälliger für Infekte.
  • Bei einem fixen Energiebudget wird alles zum Trade-off (Abtausch).
  • Wird Energie zur Mangelware, werden vorrangig lebensnotwendige Körperfunktionen beliefert. Also müssen andere Funktionen heruntergefahren werden.
  • Ist hingegen Energie im Überfluss vorhanden, werden auch unerwünschte Prozesse mit Energie versorgt und am Leben gehalten.
  • Im Fall einer moderaten körperlichen Betätigung dürften gerade so viel vom Grundumsatz abgebucht werden, dass Autoimmunprozesse und chronische Entzündungsreaktionen nicht mehr befeuert werden.

Das erscheint uns nicht ganz schlüssig und schwer verständlich.

  • Ein kurzer Fight oder Flight Modus ist super effektiv, verläuft das chronisch, sind die Folgen desaströs.
  • Ein aktiver sportlicher Lebensstil lässt uns mit Stress viel besser umgehen.
  • Neueste Studien zeigen, dass Frauen nach Sport weniger depressiv sind.
  • Die Form der regelmäßigen körperlichen Betätigung scheint sekundär zu sein.
  • Sport kann zum Stress werden und der daraus folgende erhöhte Energiebedarf geht zulasten des Immunsystems.
  • Das entscheidende Wort ist "moderat", das heißt, wöchentlich 75 bis 150 Minuten.
  • Egal ob Arbeit, Sport oder Therapie, naturverbundene, moderat anstrengende Betätigung in einem pestizidfreien natürlichen Umfeld hat, abgesehen vom körperlichen Benefiz, tiefgreifende Auswirkungen auf unsere Psyche.
  • Körperliche Gesundheit, Immunsystem und psychisches Wohlergehen sind eng miteinander verwoben.

Merke:

Nicht nur die Qualität der Bewegung ist wichtig. Von besonderer Bedeutung ist die Qualität der Umgebung, in der dem Sport nachgegangen wird.

Vitamin D und Darmmikrobiom

  • Es bestehen starke Zusammenhänge.
  • Autoimmunerkrankungen treten häufig gemeinsam mit Vitamin D Mangel auf.
  • Vitamin D trägt zur Aufrechterhaltung der Darmbarriere bei.
  • Die Empfehlung: Raus in die Natur – bei Tageslicht.
  • Das UV-Licht entfaltet seine heilsame Wirkung auch dann, wenn die Sonne nicht scheint.

Schadstoffe und Umwelteinflüsse

Zusatzstoffe, Emulgatoren, Süßstoffe, Konservierungsmittel …

  • ... haben gravierende, noch größtenteils unerforschte Nebenwirkungen auf unser Darmmikrobiom.
  • ... werden zugelassen, selbst wenn ihre schädigende Wirkung auf das Darmmikrobiom nachgewiesen wurde.
  • ... sollten möglichst gemieden werden!

Umweltchemikalien und andere Schadstoffe

  • Bisphenol: In vielem, was mit Plastik zusammenhängt.
  • Phthalate: In Weichmachern für Kunststoffe.
  • Methylparaben und Triclosan: In vielen Kosmetika, Sonnenschutzmitteln, Desinfektions- oder Konservierungsmitteln.
  • Perfluorierte Chemikalien: In beschichteter Outdoor-Kleidung und Teflon-beschichteten Pfannen.

Unsichtbare Folgen

  • Es dürfte Zusammenhänge zwischen dem Einsatz des Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat und dem verheerenden Insektensterben geben.
  • Die Folgen für uns Menschen werden erst auf den zweiten Blick erfasst. Insekten spielen in der Nahrungskette eine ganz wesentliche Rolle. Ein Dominoeffekt ist zu befürchten.
  • Entscheidend ist die grundsätzliche Auswirkung der Pestizide auf die bakteriellen Ökosysteme.
  • 54 Prozent der bekannten Bakterien im menschlichen Darm sind gegenüber Glyphosat empfindlich.
  • Es kann zu entscheidenden Verschiebungen bei den Bakterien kommen. Manche entwickeln Resistenzen, andere verschwinden. In Summe wird das gesamte System durcheinander gebracht, die Zusammensetzung des mikrobiellen Ökosystems ändert sich.

Die Lösung für Konsumenten

Möglichst kompletter Verzicht auf industriell produzierte und verarbeitete Nahrungsmittel, Kunststoffprodukte aller Art sowie Körperpflegeprodukte mit bedenklichen Inhaltsstoffen.

Bei der Ernährung unbedingt auf biologisch erzeugte Lebensmittel zugreifen.

Feinstaub

  • Grundsätzlich gilt: Je feiner die Partikel, desto tiefer dringen sie in unsere Atemwege ein.
  • Die ultrafeinen Partikel kennen keine Grenzen. Sie dringen durch Lunge und Verdauungstrakt und erreichen letztlich jeden Winkel unseres Körpers.
  • Dort verursachen sie oxidativen Stress, beschäftigen das Immunsystem über Gebühr, erhöhen die Blutgerinnung, fördern Arteriosklerose und lösen Entzündungsreaktionen im Gehirn aus.

Epigenetik

...ist ein Fachgebiet der Biologie, das erst vor kurzem in den Fokus der Wissenschaft gerückt ist. Dabei wird erforscht, welche Faktoren die Aktivität eines Gens festlegen und damit die Entwicklung der Zelle.

Ein Mix aus Umwelt, Lebensweise, Nahrung beeinflusst sowohl das Mikrobiom als auch die epigenetischen Mechanismen maßgeblich.

Planetary Health

Ein neues Schlagwort? Ja. Damit ist die folgende Erkenntnis gemeint:

Menschliche Gesundheit kann es ausschließlich in Verbindung mit gesunden Ökosystemen und der Gesundheit des gesamten Planeten geben!

Das gilt für die Gesamtpopulation aber auch für jedes einzelne Individuum.

Die Ernährung der Großeltern in deren frühkindlicher Phase bestimmt die Lebenserwartung ihrer Enkel.

Insbesondere eine gute Ernährung der Mutter während der Schwangerschaft ermöglicht die positive epigenetische Prägung des ungeborenen Kindes. Weitere Faktoren sind das psychisches Wohlergehen der Mutter während der Schwangerschaft. Dazu gehören angenehme akustische Eindrücke wie Musik oder eine beruhigende Stimmlage. Die Folgen halten ein Leben lang. Die Auswirkungen erstrecken sich sogar noch auf die nachfolgenden Generationen.

Kinder empfinden Traumata ihrer Eltern, auch wenn sie die negativen Ereignisse nicht selbst erlebt haben. Dafür verantwortlich? Epigenetische Prozesse. Sie sind die...

Schnittstelle zu unserer Umwelt

Es ist egal, ob es sich um emotionale oder (bio)chemische Einflüsse handelt. Unsere Gene sind also nicht unser Schicksal. Sie werden von der Umwelt an- und abgeschaltet. Umwelteinflüsse entscheiden, ob und in welchem Umfang unsere Gene aktiv sind.

Es mag brutal klingen, aber die vielfältigen Umweltbedingungen, denen wir vom Zeitpunkt der Befruchtung an und während der ersten Lebensjahre ausgesetzt sind, bestimmen in hohem Maße, wie wir in späten Jahren sterben werden.

Wir stammen somit, vereinfacht gesagt, von einer Eizelle ab, die schon während der Schwangerschaft unserer Großmutter angelegt wurde. Psychosozialer Stress während der Schwangerschaft wurde mit erhöhten Entzündungsmarkern, erhöhter Insulinresistenz und einem schlechteren Gedächtnis bei den Nachkommen der Frauen im Alter von zwanzig Jahren nachgewiesen. Die Folgen von negativen Kindheitserfahrungen sind vielfältig und dramatisch.

Menschen mit sechs oder mehr traumatisierenden Erfahrungen in der Kindheit sterben im Durchschnitt etwa 20 Jahre früher.

Niemand kann die Uhr zurückdrehen, aber wir können die gegenwärtigen Umstände ändern.

Mit Ernährung, gesundem Lebensstil, achtsamkeitsbasierter Meditation können wir direkt oder über den Umweg unseres Mikrobioms Einfluss auf die epigenetische Programmierung unseres Erbgutes nehmen und somit auf die Verwirklichung unseres Krankheitsrisikos.

Die transgenerationale Vererbung epigenetischer Programme durchbrechen.

Wir haben die Möglichkeit, die transgenerationale "Vererbung" epigenetischer Programmierung zu durchbrechen. Wir können (als Eltern, als Gesellschaft) positiv Einfluss nehmen!

Indem wir diese Erkenntnisse mit besonderer Sorgfalt auf Kinder in ihren ersten Jahren anwenden. Denn die epigenetische Programmierung findet vorgeburtlich statt – und in frühen Lebensabschnitten.

Die ersten 1.000 Lebenstage zwischen der Empfängnis und dem zweiten Geburtstag, sind kritisch. Denn in diesem Zeitraum wird ein beträchtlicher Teil von Gesundheit, Wachstum und neurologischer Entwicklung programmiert. Ein Programm entsteht, das über die gesamte Lebensspanne hinweg wirksam bleibt.

Bei der Geburt spielen die folgenden Faktoren eine besondere Rolle:

  • Das Passieren des Geburtskanals. Dabei wird das Kind mit dem Mikrobiom der Mutter "geimpft". Es bekommt auf diese Weise eine Erstausstattung als Initialzündung.
  • Das ist jedoch nur bei einer "normalen" Geburt möglich – ohne Kaiserschnitt.
  • Das Stillen. Laut WHO ist es als Teil der Geburt zu betrachten. Empfohlen wird, das Stillen bis zu 24 Monate nach der Geburt zu pflegen.
  • Hier wird neben einer weiteren Ausstattung mit dem Mikrobiom der Mutter das wichtige Hormon Oxytocin ausgeschüttet, das als menschliches Bindungshormon schlechthin gilt und auch eine maßgebliche Rolle bei der Bewältigung von Stress spielt. Selbst unser Essverhalten und unser Stoffwechsel unterliegen seinem Einfluss.

Wenn es bereits zu spät ist, können wir trotzdem noch Positives bewegen.

  • Pflege gesunder emotionaler Beziehungen zu Bezugspersonen. Sie haben Schutzfunktion.
  • Gesunder Schlaf (Schlafhygiene) durch Vorlesen von Büchern vor dem Schlafen, und die Reduktion der schädlichen Bildschirmzeit.
  • Gesunde Ernährung: Die Ernährung stellt unseren innigsten Kontakt zur Umwelt dar und ist weit mehr als "Kalorienlieferant". Bei gestresste Menschen führt das Bedürfnis nach Zucker und Fett in einen Teufelskreis.
  • Gesunde Bewegung verbessert Gesundheit ebenso wie kognitive Funktionen, die Hirnentwicklung, hormonelle Regulation und die Immunfunktion.
  • Achtsamkeitsbasierende Praxis (Meditation, TaiChi, Qigong und Yoga) verbessert viele soziale, emotionale, verhaltensbezogene und physiologische Gesundheitsparameter – auch aufgrund der stressreduzierenden Wirkung über die Hirnbahnen.
  • Naturerlebnisse. Das Verweilen in der Natur hat unschätzbaren Wert für die menschliche Gesundheit. Dabei werden Herzfrequenz und Blutdruck gesenkt und der Cortisolspiegel reguliert.

Ausblick

Das Erwachen eines tieferen ökologischen Bewusstseins erfordert die Anerkennung und Wertschätzung unserer wechselseitigen Beziehung zum Rest der lebenden Welt. Nur wenn wir die Sprachen anderer Lebewesen hören, können wir die Großzügigkeit der Erde verstehen. Wir lernen, unseren eigenen Beitrag zu leisten.

  • Der Trend in Großstädten zu wohnen ist problematisch. Er führt zur Entfremdung von der Natur.
  • In Anlehnung an Goethe’s "Man sieht nur, was man kennt." Könnte man auch sagen: "Man liebt nur, was man kennt."
  • Die Crux des Menschen besteht darin, dass er sich, dank seines entwickelten Großhirns, als autonomes Individuum mit einer klaren Identität, getrennt von der Welt, missversteht.
  • Dagegen zeigen uns die Einsichten der modernen Wissenschaft, dass wir zumindest im biologischen Sinn gar keine Individuen sind! Wir sind alles andere, als unabhängig oder autonom. Wir können weder in Unabhängigkeit von unseren Mikroben noch von der größeren uns umgebenden Mitwelt existieren.
  • "Jeder dumme Junge kann einen Käfer zertreten. Aber alle Professoren der Welt können keinen herstellen." A. Schopenhauer
  • Die Silbe "Öko" stammt aus dem Wort "Oikos", was im antiken Griechenland so viel wie Haus- und Wirtschaftsgemeinschaft bedeutete. Ökologie ist folglich die "Lehre vom Zuhause".
  • Es ist zwingend notwendig, dass die Menschen die zentrale Bedeutung der Beziehungen zwischen Mikroben und anderen Organismen für die Gesundheit des Einzelnen und der Umwelt anerkennen.
  • Die Zusammensetzung und Aktivität unserer Mikrobengemeinschaft spielt eine entscheidende Rolle bei der Gestaltung metabolischer und regulatorischer Netzwerke im Menschen und in der Umwelt.
  • Geringe Störungen in Ökosystemen können zu großen Wirkungen führen.

Eine wichtige Frage:

Wie wirken sich langfristig die Begleiterscheinungen des Anthropozäns aus? Mikroplastik, die mittlerweile unüberschaubare Menge an Umweltchemikalien? Die (zum Teil unwiederbringliche) Zerstörung von natürlichen Lebensräumen, die zur Abnahme von Biodiversität und zu Artenschwund führt? Die zunehmende Vereinheitlichung von Kulturen sowohl auf dem Acker als auch in der Gesellschaft?

  • Gesunde Menschen, die gesund bleiben wollen, sind abhängig vom Zugang zu unbelasteten, frischen Lebensmitteln.
  • Biodiversität und naturbelassene Lebensräume sind das Rückgrat und das Herz eines bewohnbaren Planeten.
  • Wir brauchen natürliche biodiverse Habitate mit Wäldern in der Nähe der Lebensräume.
  • Je kleiner und unscheinbarer die Lebewesen auf unserer Erde sind, desto wichtiger sind sie für unser Leben.

Das Leben ist – biologisch betrachtet – ein äußerst intimer Tanz mit Mikroben.

Wandern im Sonnenuntergang auf der Gerlitzen Alpe